Seine wichtigsten Leitgedanken zusammengefaßt:
Johannes Kepler hat mit diesen Leitgedanken sein großartiges Lebenswerk geschaffen und - zusammen mit Galileo Galilei, René Descartes und anderen Gleichgesinnten - Anfang des 17. Jahrhunderts die neuzeitliche Naturwissenschaft begründet.
Johannes Kepler, interessant für unsere Jugend?
Das Wissen über grundlegende, ursächliche Zusammenhänge in der Natur kann nie als endgültig abgeschlossen gelten, das menschliche Wissen ist vielmehr ständig auf dem Prüfstand neuer Erfahrungen. Forschung ist immer dann besonders spannend, wenn althergebrachte, scheinbar felsenfeste Theorien ins Wanken geraten, sei es durch neuere Beobachtungen, sei es durch Auswertung alter Beobachtungen unter neuartigen Fragestellungen.
In eine Zeit solcher radikaler Erneuerungen fällt das Leben und Wirken von Johannes Kepler.
Kepler steht herausragend für das Wiederaufleben, die Renaissance, dieser uns heute so selbstverständlich erscheinenden Forschungslogik, die in der Antike einmal gegenwärtig gewesen war, im christlichen Abendland des Mittelalters jedoch stark überdeckt war von dogmatisch kanonisiertem „Wissen“, das kritisch zu hinterfragen geradezu gefährlich geworden war. Im arabischen Morgenland dagegen hatte die „freie“ Wissenschaft der Antike überlebt und sogar bedeutende Fortschritte erzielt. Über Italien und besonders Spanien waren die Kenntnisse darüber in den beiden vorangegangenen Jahrhunderten langsam auch wieder nach Mitteleuropa gedrungen.
Konflikte mit einem eingeschliffenen Dogmatismus konnten nicht ausbleiben. Auch und insbesondere Kepler gerät mitten in diese Konflikte hinein. Sein Wirken als Forscher und sein privates Leben werden davon stark beeinflußt. Das wird leicht vergessen, wenn man sich unter dem Stichwort „Kepler“ lediglich an die drei nach ihm benannten Gesetze der Planetenbewegung erinnert, vielleicht noch an die Erfindung des nach ihm benannten astronomischen Fernrohrs aus zwei Sammellinsen.
Über Keplers Leben wissen wir heute sehr viel. In hunderten von erhalten gebliebenen Briefen können wir seine Erlebnisse und Gedanken miterleben. Bessere Zeitzeugen kann man sich gar nicht wünschen, sie sind einer der interessantesten Zugänge für die Geschichte und Geistesgeschichte des beginnenden 17. Jahrhunderts.
An Keplers großen Werken ist besonders reizvoll, daß er den Leser am Gang der Entdeckungen, einschließlich der Rückschläge, wenn sich etwas Neues an den Beobachtungen nicht bewahrheitet hat, sehr ausführlich teilhaben läßt. Diese Ausführlichkeit ist im 18. und 19. Jahrhundert auch getadelt worden. Dazu sollte man sagen, daß es in der Tat nicht gut wäre, wenn alle naturwissenschaftlichen Bücher derart ausführlich abgefaßt wären. Bei einem Mann aus der Gründungszeit neuzeitlicher und selbstkritischer Naturwissenschaft darf man das anders sehen.
Im vergangenen 20. Jahrhundert hat deshalb eine tief gehende Kepler-Forschung begonnen, die verborgenen Schätze in Keplers Werken und Briefen zu heben, die neue wertvolle Einsichten in Keplers Persönlichkeit, in seine bedingungslose Lauterkeit bei der Wahrheitssuche und in seine Zeit ermöglichen.
Kepler ist als ein leuchtendes Beispiel für verantwortungsvolle, der Wahrheit und der Ethik verpflichteten Forschung, abhold jeglichem Dogmatismus, von großer Bedeutung für die Zukunft der Menschen. Das gilt natürlich besonders für unsere Jugend, die zukünftig vor zunehmend große ethische Fragen und Probleme umwälzender neuer wissenschaftlicher Möglichkeiten, Erkenntnisse und Herausforderungen gestellt sein wird, und die sich vielleicht erneut mit heraufziehenden, fundamentalistischen Dogmatismen auseinandersetzen muß.
Der lautere Charakter und die überragende Forscherpersönlichkeit von Johannes Kepler kann dabei ein großes Vorbild sein.
* Prof. Dr. Manfred Fischer, Vorsitzender der Kepler-Gesellschaft e.V.
Dr. Ernst Kühn, Mitglied des Vorstands der Kepler-Gesellschaft e.V.
Anlage: Literatur für Einsteiger